Eisenbahnbau mit Fliegengitter und Gips

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Im Grenzbahnhof entsteht Ostbayerns größte Modelleisenbahn – Ehrenamtliche Tüftler im Einsatz

Bayer. Eisenstein. Verblüffend naturgetreue Landschaften mit Böhmerwaldhäusern, Schneedörfern, Blumengärten, Badeseen und Bayerwaldbergen entstehen derzeit auf dem Dachboden des Grenzbahnhofs. Seit Pfingsten 2014 wird jeden Sonntagnachmittag gebohrt, gesägt und gepinselt und neuerdings auch programmiert. In liebevoller Kleinarbeit lassen Modellbahnbauer auf einer Fläche von 100 Quadratmetern das „Grüne Dach Europas“ in Miniaturform entstehen. Mittelpunkt der Anlage, die nicht nur Eisenbahnerherzen höher schlagen lässt, ist die 1,60 Meter breite Nachbildung des weitläufigen Grenzbahnhofs.

Etwa ein Viertel der Gesamtanlage ist mittlerweile fertig und auch einige Züge sind schon fahrtüchtig. Der Dachboden ist der größte Raum des Grenzbahnhofes. „Den wollten wir nicht zur Rumpelkammer verkommen lassen“, erklärt Naturpark-Vorsitzender Heinrich Schmidt. „Zum Konzept der NaturparkWelten gehört eine Vernetzung der einzelnen Ausstellungen untereinander. Im zweiten Obergeschoss präsentieren wir die Eisenbahngeschichte der Region und erinnern an den Bau der Bahnlinie von Plattling nach Klattau, da passt die Modelleisenbahn im Dachgeschoss hervorragend dazu“, sagt Schmidt. Im Maßstab 1:87 werden detailgetreu Abschnitte aus dem Eisensteiner Tal nachgebaut.

Eine Gruppe von fünf bis zehn Leuten aus dem ganzen Landkreis trifft sich wöchentlich, der eifrigste Modellbauer ist Otto Eichler (72) aus Bayer. Eisenstein, beinahe täglich arbeitet der Ruheständler am Landschaftsbau der Märklinanlage. Zum Gedenken an die 26 Italiener, die beim Bahnbau (1874 bis 1877) verunglückt waren, hat Otto Eichler einen eigenen Friedhof gestaltet. Wie Nachforschungen ergeben haben, durften die Italiener damals in Böhmisch Eisenstein nicht beerdigt werden, „die Leichen wurden zum Teil einfach im Bahndamm verscharrt“, weiß Otto Eichler. Die Ortschaft Bayer. Eisenstein hat sich erst mit dem Bau der Bahnlinie entwickelt.

Auf der 100 Quadratmeter großen Modellbahnanlage sollen die Besucher viele Dinge entdecken und wiedererkennen können, wie zum Beispiel die Stadt Klattau mit dem Schwarzen Turm, die Zwieseler Stadtpfarrkirche, das Haus zur Wildnis, das Baumei und vieles mehr. Zwischen den Fixpunkten der realen Welt wird eine Fantasielandschaft mit Brücken, Wasserfall, Flusslandschaft, Rummelplatz, Kaserne, Kloster, Brauerei und vielem mehr aufgebaut.

Otto Eichler hat das fertige Bild schon genau im Kopf, es wird aber noch gut zweieinhalb Jahre dauern, bis alles umgesetzt und verwirklicht ist. Dennoch können Museumsbesucher schon jetzt den Ausstellungsraum besuchen und sozusagen einen Blick hinter die Kulissen werfen. „Wir haben Stammbesucher, die immer wieder kommen und gespannt verfolgen, wie die Anlage wächst“, sagt Naturpark-Geschäftsführer Hartwig Löfflmann. Dabei kann man auch Otto Eichler über die Schulter schauen und beobachten, wie er das Gras wachsen lässt oder Schnee auf Hausdächer zaubert. Die Modellbauer arbeiten mit einer leidenschaftlichen Akribie. In stundenlanger Feinarbeit „tropfen“ sie drei Millimeter große Eiszapfen an die Dachrinne eines Waidlerhauses, bemalen mit feinen Pinseln winzige Figuren oder fummeln mit unendlicher Geduld an einer Brücke. Bis ein Haus aus einem Bausatz steht, kann das schon einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. „Denn der Sekundenkleber klebt überall, nur nicht da, wo er soll“, berichtet Otto Eichler.

Geradezu grob wirkt da die Arbeit der Landschaftsbauer. Sie schneiden aus Styrodur-Platten unterschiedlich große Bögen aus, bedecken diese mit einer Art Fliegengitter und streichen mehrere Schichten Gips darauf. So wird das Gelände modelliert. Für die Felsformationen hat Otto Eichler eine eigene Technik entwickelt: Aus Rinde und Gips fertigt er täuschend echte Nachbildungen. Auch Moose, Flechten und kleine Ästchen kommen zum Einsatz.

Damit schließlich die Lämpchen blinken, die Lichter leuchten und letztendlich die Züge fahren, müssen unzählige Meter Kabel verlegt werden. Für die gesamte Licht- und Schalttechnik ist der 15 Jahre alte Kilian Brixel aus Ruhmannsfelden verantwortlich. „Do gibt‘s koan Bessern“, urteilt Otto Eichler. Kilian Brixel ist ein wahrer Technik-Freak mit besonderem Interesse für Elektronik. Die Bietzlerei macht ihm Spaß und die schönste Belohnung für ihn ist, wenn sich ein Zug auf Knopfdruck in Bewegung setzt.

In den nächsten zwei bis drei Jahren bleibt noch viel zu tun auf dem Dachboden des Grenzbahnhofs. Der Naturpark nimmt gerne gebrauchte Modellbahnteile, egal ob Häuser Züge, Gleise oder Zubehör als Spende entgegen. Wer mit bauen will, ist herzlich dazu eingeladen. Obwohl alle Arbeitsleistungen ehrenamtlich laufen, ist die Investition bisher beträchtlich. Der reine Materialwert beläuft sich laut Hartwig Löfflmann bereits auf etwa 15 000 Euro. „Wenn wir alles bezahlen müssten, dürfte das sicherlich das Zehnfache ausmachen“, versichert der Geschäftsführer.

Geöffnet ist die Modelleisenbahnanlage im Dezember immer an den Wochenenden und mittwochs. Ab dem zweiten Weihnachtsfeiertag ist wieder täglich von 9.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Die genauen Öffnungszeiten findet man auch im Internet unter www.naturpark-bayer-wald.de. Claudia Winter

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