Artenvielfalt auf Wiesen mit dem Zeitpunkt des Mähens steuern

Veröffentlicht am:

Artenvielfalt auf Wiesen mit dem Zeitpunkt des Mähens steuern, um dieses Thema ging es bei der ersten Veranstaltung des Landschaftspflegeforums, einer Gemeinschaftsveranstaltung des BUND Projekts Quervernetzung Grünes Band, des Naturpark Bayerischer Wald und der ILE Ilzer Land, in Freyung. Auf die Förderung des Reichtums an Kräutern sowie auf sogenannte Altgrasstreifen kommt es an.
Extensiv genutzte Bergwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen unseres Landkreises. Extensiv genutzt bedeutet ein bis zweimal im Jahr gemäht und nicht oder nur mit wenig Festmist gedüngt. Auf solchen Wiesen können bis zu 50 Pflanzenarten auf einem Quadratmeter vorkommen. Im Vergleich dazu sind es auf vier bis sechs Mal gemähten Wiesen im Durchschnitt nur zehn Pflanzenarten. Zudem sind im Grunde alle gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Wiesenarten auf Extensivwiesen angewiesen. Und jede dieser Pflanzenarten schafft Lebensraum für mehrere Insektenarten, beispielsweise als Futter- oder Nektarpflanze. Die Bedeutung solcher Wiesen ist daher beinahe unermesslich.
Artenreiche Wiesen entstehen nicht durchs Nichtstun. Sie entstanden durch die traditionelle Nutzung als Heuwiese. Keine dieser Wiesen wäre ohne diese Nutzung entstanden, keine dieser Wiesen würde es bei einer ausbleibenden Nutzung lange geben. Sie würden verbuschen und zu Wald aufwachsen. „Tatsächlich müssen wir uns heutzutage allerdings ganz andere Gedanken darüber machen, wie und zu welchen Zeiten wir die Wiesen mähen als beispielsweise vor 100 Jahren. Früher entstanden Heuwiesen ja auch nicht, um in der Fläche Naturschutz zu betreiben“, so Marco Müller vom Naturpark. Sie waren das Ergebnis der damaligen Rahmenbedingungen. Durch den technischen Fortschritt haben wir uns weitgehend von diesen äußeren Faktoren entkoppelt. Heu wird heutzutage in der Milchviehhaltung nur noch wenig nachgefragt. Dünger, beispielsweise in Form von Gülle, ist kein limitierender Faktor mehr. Umso wichtiger also, dass die verbliebenen Extensivwiesen möglichst optimal, hinsichtlich der Heuqualität, aber auch hinsichtlich der Artenvielfalt, gepflegt werden. Viele Heuwiesen haben hinsichtlich der Artenvielfalt noch großes Potenzial, so Müller weiter. Das ist insbesondere dann so, wenn die Wiese bis vor kurzem noch intensiv genutzt und gedüngt wurde. Hier ergibt sich dann oft das Problem, dass selbst bei der Mahd an traditionellen Heuterminen der Anteil dominanter Grasarten lange zu hoch bleibt und sich nicht der gewünschte Blühkräuteranteil einstellt. Durch einen nach vorne verlagerten ersten Schnitt, beispielsweise schon im Mai, wird die Wüchsigkeit der Gräser eingebremst und es kommt Licht für niedrigwüchsige Kräuter auf den Boden , berichtete Tobias Windmaißer vom Bund Naturschutz. Die meisten Wiesenkräuter können sich, wenn eine ausreichende Pause zwischen erstem und zweitem Schnitt verbleibt, auch nach dieser "Frühmahd" nochmal gut entwickeln, blühen und Samen bilden. Allerdings vertragen auch einige Pflanzenarten einen zu frühen Schnitt überhaupt nicht, weiß Windmaißer. Die Schwarze Teufelskralle, eine der Charakterarten unserer Bergmähwiesen, ist so eine Art. Ebenso Pechnelke, Orchideen oder der Kleine Klappertopf. Kommen solche Arten vor, braucht es unbedingt einen ersten Schnitt zur traditionellen Zeit und dann einen zweiten Schnitt im September oder Anfang Oktober. Die traditionelle Zeit liegt bei den Bergmähwiesen zwischen Ende Juni und Mitte Juli, bei den Magerrasen eher zwischen Ende Juli und Mitte August. Im Herbst dann ist meist die Entwicklung der Kräuter abgeschlossen und es wachsen bzw. stehen vor allem noch die Gräser.
Bei Wiesen, die aus einer intensiven in eine extensive Nutzung überführt werden, bedarf es oft mehrerer Jahre einer angepassten Bewirtschaftung, um wirklich artenreich zu werden und eine gute Heuqualität zu erreichen. Mit dem Projekt „Blühender Naturpark“ des Naturparks kann dieser Prozess durch Mähgut- bzw. Wildsamenübertragung von benachbarten artenreichen Wiesen beschleunigt werden.
Keinesfalls ist es so, dass ein früher erster Schnitt das „Allheilmittel“ für die Steigerung der Artenvielfalt von Gras dominierten Extensivwiesen darstellt, insbesondere wenn man an den Lebenszyklus der Insekten oder wiesenbrütenden Vögel denkt. Bei Heuschrecken beispielsweise steigert sich die Anzahl allein um das Fünffache, wenn erst ab Mitte Juli gemäht wird. Für Spinnen, Amphibien und Reptilien ist eine Hochsommermahd allerdings oft problematischer als eine Mahd im Frühjahr oder Herbst. Das bedeutet: Aus faunistischer Sicht gibt es keinen besten Schnittzeitpunkt. Hier ist das Belassen eines sogenannten Altgrasstreifens, also eines Wiesenbereichs der von der Mahd ausgespart wird am effektivsten. Dieser Bereich sollte insbesondere dort angelegt werden, wo die Wiese am kräuterreichsten bzw. magersten ist. Ebenfalls wichtig ist, dass diese Altgras- oder eigentlich richtiger Altkrautbereiche oder Blühkräuterinseln bei jeder Mahd an einer anderen Stelle angelegt werden.
Es gäbe noch viele weitere Stellschrauben beim Mähen, die die Veranstalter an diesem Nachmittag hätten thematisieren können, um die Artenvielfalt auf Wiesen zu fördern, beispielsweise Mähverfahren, Heubereitung, Schnitthöhe, Arbeitsgeschwindigkeit, Befahrmuster, Witterung und Tageszeit. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall der „Mähknigge“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (www.lfl.bayern.de/maehknigge). Nach und nach werden diese Stellschrauben bei den zukünftigen Veranstaltungen des Landschaftspflegeforums Thema sein. Der nächste Termin findet am 29.06.2023 in Schöfweg statt und behandelt die Frage, mit welchen Methoden man Artenvielfalt auf Wiesen wiederherstellen kann. Weitere Informationen: www.naturpark-bayer-wald.de.

Zurück