BNE in Europa

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Naturpark-Umweltstation Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein

Die Situation erinnert irgendwie an Urlaub weit weg. Über einen Außenlautsprecher am tschechischen Teil des Grenzbahnhofes in Bayerisch Eisenstein – Alzbetin (Elisenthal) ertönt eine Durchsage in tschechischer Sprache. Ein Zug aus Pilsen ist gerade eingetroffen und fährt in Kürze auch dahin wieder zurück. Mit diesem Zug kam die tschechische Kollegin des Naturparkteams, um ihren Dienst anzutreten. Mit personeller Unterstützung aus dem Nationalpark und Landschaftsschutzgebiet Šumava betreibt der Naturpark Bayerischer Wald das Infozentrum im Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein seit dem Oktober 2000. Das Thema Großschutzgebiete auf dem „Grünen Dach Europas“ hatte man sich damals zur Aufgabe gemacht. Fünf Großschutzgebiete grenzen im Eisensteiner Hochtal unmittelbar aneinander. Der Nationalpark Bayerischer Wald, der Nationalpark Šumava, das Landschaftsschutzgebiet Šumava und die Naturparke Bayerischer Wald und Oberer Bayerischer Wald, eine einmalige Situation in Mitteleuropa. Mehrere Artenschutzprojekte hatten sich daraus entwickelt. Weit mehr als eine Million Besucher haben den Grenzbahnhof mittlerweile besucht.

Die Zusammenarbeit mit Tschechien war von Anfang an sehr wichtig. Die Natur kennt keine Grenzen. Aber auch die Menschen in diesem Jahrhunderte alten Kulturraum des „Böhmerwaldes“ brauchen einander, trotz der Sprachbarrieren. Von Anfang an wurden alle Ausstellungen dreisprachig in Deutsch, Tschechisch und Englisch angelegt. Bei Veranstaltungen wurde stets gedolmetscht. Sehr häufig gab und gibt es einen Wechsel, z. B. ein deutscher Referent und bei der nächsten Veranstaltung ein tschechischer Referent. Flyer und viele Broschüren sind zweisprachig angelegt. Die Zusammenarbeit hat sich in den letzten 2,5 Jahrzehnten sehr gut entwickelt. Vor allem bei den Krisen der Vergangenheit, wie z.B. der BSE-Krise, der Corona-Pandemie, usw. wurde mit kurzfristigen Grenzschließungen oder vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen deutlich, wie weit man mit dem EU-Beitritt zum 1.5.2004 oder dem Schengenabkommen am 21.12.2007 schon gekommen war. Mit Anerkennung als erste Grenzüberschreitende Umweltstation Bayerns bekam die Zusammenarbeit nochmals eine neue Dimension. Mit verschiedenen tschechischen Projektpartnern wurde z. B. eine Umweltbildungseinrichtung in Tschechien geschaffen oder über das Thema Lichtverschmutzung mit Auswirkungen auf Menschen und Natur informiert. Der Grenzbahnhof diente dutzendfach als Treffpunkt für grenzüberschreitende Besprechungen, galt er doch schon vor dem Schengenabkommen als „Oase“, die Niemandslandcharakter hatte, ohne lästige Grenzkontrollen.

Das Thema Inklusion stellt in der täglichen Arbeit ebenfalls einen wichtigen Faktor dar. Im barrierefrei mit der Waldbahn erreichbaren Gebäude gibt es zwei Aufzüge sowie Rollator und Rollstuhl zum Ausleihen. Für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung wurde ein Bodenleitsystem und tastbare, taktile Pulte zweisprachig erstellt, die außerdem Braille-Schrift tragen. Zudem entstehen gerade weiter tastbare Objekte zu allen Ausstellungsteilen. Mittels einer App (BFW SmartInfo-App des Berufsförderwerkes Würzburg) können sich Blinde alle Ausstellungstexte über ihr eigenes Smartphon vorlesen lassen. Die App führt über Beacons gesteuert durch die etwa 2.500 m² Innenfläche der NaturparkWelten und weist auf Besonderheiten hin. Unterstützt von der „Aktion Mensch“, einer wohltätigen Lotterie, sind weitere nützliche Dinge, wie eine QR-gesteuerte Tour in einfacher Sprache oder mit Gebärdensprache bereits geschaffen. Eine separate, zweisprachige Kinderlinie im Europäischen Fledermauszentrum nimmt auch die kleinen Besucher mit. Die Auszeichnung Bayern Barrierefrei wurde ebenfalls zugesprochen. Im zweijährigen Turnus findet ein Aktionstag für Menschen mit Handicap statt.

In Sachen Resilienz und Klimaverträglichkeit ist man auch seit den Anfangstagen unterwegs. Der denkmalgeschützte, historische, deutsche Teil des Grenzbahnhofes wurde von Anfang an zu 100 % mit Hackschnitzeln aus der Region beheizt, ohne fossile Spitzenlastergänzung durch Öl und Gas. Das Gebäude wurde mit Wärmeschutzmaßnahmen und dreifachverglasten Fenstern ertüchtigt und erreichte als Baudenkmal Neubaustandard. Leider war aus denkmalschutzgründen bisher nur eine sehr kleine PV-Anlage möglich. Die Erreichbarkeit mit der Waldbahn im Stundentakt und verschiedenen Buslinien ist erstklassig.

Unterstützt wurde bereits mehrfach durch den Fördertopf der Umweltstationen des Freistaats Bayern und die Lotterie „Aktion Mensch“. Hierfür haben die Verantwortlichen mehrfach Dank ausgesprochen.

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